Samstag, 19. Juli 2008

Der Goldene Ring

Unser Track wird beladen
Platz an der Wolga
Kleiner Rabe in der Stadt
Chaotischer Museumsbesuch
Naja.. sauber ist anders..

Nach so langer Pause faellt es mir schwer, irgendwo anzufangen… Vielleicht am Anfang : )
Kaum konnte ich es erwarten, bis endlich meine Mutter und Freunde ankamen, umso freudiger war die Begruessung.
3 Wochen standen uns bevor! Wie ich mich nach unseren vertrauten Gespraechen gesehnt hatte…
Nach einer etwas oberflaechlichen Stadtbesichtigung, bei der wir es uns zum Spass machten, Frauen auf schwindelerregend hohen Absaetzen zu fotographieren, starteten wir am darauffolgenden Tag die Tour.
Neben dem Radfahren besichtigten wir eine Reihe von Kirchen und Museen.

· ein Buegeleisenmuseum (spannender als es klingt)
· ein Eisenbahnmuseum (das einzige was mich hier interessierte war das Dressinenfahren : )
· ein Vodkamuseum
· ein Schulhaus (in dem wir nicht ohne Entsetzen eine Smile-Liste fuer sauberes Erscheinen in der Schule
entdeckten)
· einen heiligen Stein, auf den die (aberglaeubischen) Russen schmerzende Koerperteile hielten
· ein musikalisches Museum (die Kunst des Glockenspiels wurde vorgetragen)
· ein Stiefelmuseum
· ein nach altem Stil nachgebautes russisches Dorf
· eine Bierbrauerei
· das Haus einer Babuschka
· eine Schmuckfabrik
· Museen von Kuenstlern und Saengern
· Museen ueber die verschiedenen Staedte, die wir besichtigten

Wir waren eine witzige Gruppe, zusammengewuerfelt aus Amerikanern, Australiern, einem Franzosen, Russen und Schweizern, das Sprachenchaos war vorprogrammiert. Ich ging anfangs besonders dem Franzosen aus dem Weg, denn ich hatte das Gefuehl, kein Wort Franzoesisch mehr zu koennen… doch ich war nicht die Einzige. Nicht selten antwortete ich dem Franzosen mit “da” und den Russen mit “oui”.

Wie es zu erwarten war, kaufte meine Mutter gleich anfangs der Tour Hundefutter, welches die meisten jedoch verschmaehlten. So musste immer wieder unser “Gutzivorrat” dran glauben und Hunde hatte es viele. Zu meiner Beruhigung waren es aber meistens gutmuetige oder desinteressierte Tiere.

Machten wir in einem Dorf oder einer Stadt Halt, und sei es nur um im Laden einzukaufen, verbreitete sich diese Neuigkeit wie ein Buschfeuer. Auf alten, klapprigen Fahrraedern oder zu Fuss kamen sie daher. Einige beobachteten uns nur von Weitem, andere waren neugieriger und stellten Fragen. Doch nie blieb es bei den Fragen, immer wurde man auch gleich ueber geschichtliche Ereignisse oder Sehenswuerdigkeiten, ueber Helden die hier gelebt hatten und heilige Plaetze informiert, meist von aelteren Bewohnern.
Diese alten Menschen mit den zerfurchten Gesichtern, den gekruemmten Ruecken und den trueben Augen, loesten in mir unmittelbar Ehrfurcht und Bewunderung aus.
Was hatten sie doch schon alles erlebt, wie viel entbehren muessen, wie viele Aengste durchlitten… und trotzdem nie ganz den Mut verloren…
Ein russischer Schriftsteller schrieb: “Ja Gott, wir haben in einer aufregenden Zeit gelebt, doch wir haben dich nicht darum gebeten…”.

Ein Abend an der Volgabank werde ich wahrscheinlich nie vergessen…
Nach einem leckeren Essen von unserer Koechin Tatjana, sassen wir noch in einer lustigen Runde zusammen. Vladimir (der Hauptleiter) hatte den Hausherrn dieser Unterkunft gebeten, die Bannia einzuheizen und erinnerte uns nun daran, dass sie bereit sei. Niemand hatte so richtig Lust auf dieses russische Dampfbad, doch aus schlechtem Gewissen zogen meine Mutter und ich uns um. Zum Glueck, denn es war traumhaft.
Nachdem wir uns in dieser Schwitzkammer genuegend aufgeheizt hatten, rannten wir durch die Buesche in die Volga. Zwischen tausenden von Muecken schwammen wir ein Stueck dem Sonnenuntergang entgegen.
“Ich kann es nicht glauben, dass ich in Russland in der Volga schwimme, dass ich wirklich in Russland bin!”
Schon seit sie 12 war traumte meine Mutter von diesem fernen, unbekannten und riesigen Land, hatte schon damals die Zeitschrift Sowjetunion-Schweiz abonniert, welche monatlich von Russland zu ihr ins Haus flatterte. Niemals hatte sie geglaubt, tatsaechlich einmal russische Erde zu beruehren…

Als wir zurueck ins Haus kamen, war Andrey (ein russischer Teilnehmer) gerade dabei, russische Lieder zu singen und mit der Gitarre zu begleiten. Er sang so schoen und mit so viel Gefuehl, dass ich fast sentimental wurde… Besonders deshalb, weil ich von ihm eine solche Begabung nie erwartet haette (einerseits zeigte er leicht authistische Zuege, verhielt sich manchmal etwas kindhaft, besass aber andererseits ein ungeheures Wissen ueber Geschichte und Gegenwart seines Landes, ueber Kuenstler und Saenger, ausserdem sprach er gut englisch).

Der letzte Abend der Tour war etwas ganz Besonderes…
Eine Babuschka und ihre Tochter hatten fuer uns ein wunderbares Nachtessen mit Kartoffeln, Fleisch und Blinee (Crepes) zubereitet. Ausserdem tranken wir zum Auftakt einen russischen Champagner, dann russischen Wein, Vodka und Kwass (ein gegaertes Schwarzbrotgetraenk).
Das alles blieb nicht ohne Wirkung. Nachdem Andrey nochmals seine schoensten Lieder zum Besten gegeben hatte, waren wir dran.
Hanspi und Edith stimmten italienische und scheizerdeutsche Lieder an und wir liessen uns schnell mitreissen. Alle Schweizer sangen den Text und Tatjana traellerte begeistert den Refrain mit “Singin eiei, jupijupi ei…” : ) Die Hintergrundmusik lieferten hunderte von Stechmuecken, welche verzweifelt ein Stueck Haut suchten, welches nicht nach Anti-Brumm miefte…
Trotz Betteln wollten die Amerikaner nicht mit einem Yankeesong (Hanspi-Sprache) herausruecken, in einer Ecke fingen sie dann doch leise an und wurden dann immer lauter und ausgelassener.
Erst weit nach Mitternacht zogen wir uns in den Heustock zurueck, der sich in einem Schopf befand, welcher dem schiefen Turm von Pisa reichlich Konkurrenz machte.

Die Tour war ein echtes Erlebnis und ein super Einstieg auf meine Russlandreise, die ich nun alleine vortsetzen werde.
Die Trennung hatten Erika und ich schon vor Russland beschlossen – ich fuehlte mich einfach nicht mehr wohl, wir wussten nicht worueber wir zusammen sprechen sollten…
Trotzdem werden wir uns in Sibirien wieder treffen, doch reisen wird jeder fuer sich alleine.

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